K(l)ipp und klare Worte oder auch “Jakob zieht ein”

HP Tanja - K(l)ipp und klare Worte oder auch "Jakob zieht ein"Als wir im Juni unseren geliebten Malinoisbuben Johny mit elf Jahren gehen lassen mussten, wollten wir erst keinen weiteren Hund mehr. Unser altes Mädchen kam gut mit dem Tod ihres Freundes klar, und ohnehin wäre für Sie ein Einzelplatz auch kein Problem gewesen. Dennoch merkte man ihr eine Veränderung an. Sie wurde superverlässlich und viel ruhiger und viel grauer um die Schnauze. Sie war schon immer toll, aber als sie alleine war, konnte man plötzlich (wenn nicht gerade ein Katze vorbeihuschte) sogar das Hoftor offen lassen. Noch nie waren mein Mann und ich in den Urlaub gefahren, seit wir zusammen sind, und ihr wisst es alle selber. Hunde sind nicht überall gern gesehene Gäste. Gerne hätten wir ein Wohnmobil. Einfach hineinsetzen und losfahren, ohne planen. Trotzdem schauten wir uns in Tierheimen und im Internet nach einem neuen Hund um. Der leere Platz im Wohnzimmer war einfach zu seltsam. Auch wenn wir nicht akut einen neuen Hund wollten…dennoch wir schauten…

Dann fanden wir ihn. Ein Bild ein Video, ich war schockverliebt. Ich schickte den Link zu meinem Mann und auch er fand ihn gut. Wir füllten das Kontaktformular aus. Drei Tage später meldete sich Dani am Telefon. Nachdem Sie uns alles erklärt hatte, was alles viel zu viel war hatten wir erst ein Problem. Der nächste Transport wäre gleich am nächsten Wochenende, beim übernächsten mussten wir den Umzug meiner Eltern machen, und den Monat drauf, war einfach zu lange, um einen Hund für über zwei Monate als reserviert auf der Homepage zu lassen. (Versteh ich jetzt auch). Dann wurde uns Sergej vorgeschlagen, weil er verlässlich mit Hündinnen verträglich war. Unser Wahlhund war zu der Zeit mit niemandem verträglich. Deswegen hatte Kata bedenken uns Jakob auszuliefern. Hm, wir waren ehrlich gesagt etwas verblüfft.

Ihr wollt einen Hund? Ja, (nach positiver Vorkontrolle), aber wenn dann sofort, und am besten einen anderen. So kam es uns zumindest im ersten Moment vor. Mein Mann und ich beratschlagten uns, und schrieben Dani wahrheitsgemäß zurück, dass wir keinen neuen Hund brauchen, und schon gar nicht sofort, und wenn überhaupt, dann den, in den wir uns verliebt hatten.

Das war genau richtig. Sie schrieb zurück, das sie es mag, wenn einer weiß was er will, sie wäre ein Fan von klaren Worten, wir drehten ein Video, welches wegen der knappen Zeit unsere Vorkontrolle war, überwiesen die Tierschutzgebühr, und konnten vor lauter Vorfreude und Aufregung kaum noch schlafen, also ich zumindest.

(Liebe Leute, bitte lasst euch nicht täuschen, von Fragen die Euch komisch vorkommen, von hartnäckigen Belehrungen und so weiter, denn es soll unbedingt vermieden werden, dass die Hunde in ein neues Zuhause kommen, und dann doch wieder weg müssen, weil man die Arbeit unterschätzt oder falsch einschätzt. Es wird der bestmöglichste Platz für unsere Schützlinge gesucht. Wenn jemand ein Bernersennhundeleben Hundeerfahrung vorweist, heißt das noch lange nicht, das er Ahnung von einem Malinois hat. Egal ob aus dem Tierschutz oder aus der „Zucht“ Tierschutzhunde kommen meist auch aus der „Zucht“.)

Da ich noch bis Freitagabend nach 19.00 Uhr arbeiten mussten, fuhren wir dann bis in die Nacht hinein Richtung Gießen, und versuchten dann das ein oder andere Auge zuzumachen. Keine Chance. WhatsApp klingelte ab zwei Uhr im Minutentakt. Wer wann wo ist und ankommt, alle Adoptanten waren unfassbar aufgeregt. Ich konnte nicht einschlafen. Musste ständig denken, wie es wohl wird. Der erste Moment mit unserer Hündin. Alles…Ich war am Morgen so gerädert, dann machten wir uns auf Richtung Butzbach.

Ich weiß nicht wie man eine solche Situation beschreiben soll. Die Aufregung kann man förmlich sehen, die Tränen laufen, vor Freude, seine anvertrauten Schützlinge in ein gutes Heim zu geben, vor Erschöpfung von der langen Fahrt,  vor Dankbarkeit, dass alles gut gegangen ist, kein Unfall passiert ist, vor Mitgefühl, weil man die Adoptanten ebenfalls weinen sieht. Eigentlich sind diese Transporte ein Tränenmeer der Freude. Jeder sollte das einmal erlebt haben.

So, nun genug davon, der neue Hund war da. Ständig hielten wir auf dem Nachhauseweg an, er muss ja dann irgendwann mal puschern, der kleine große Neue. Nichts passierte. Nicht nach einer Stunde nicht nach zwei Stunden nicht nach drei Stunden…. nichts. Gleich hatten wir Sorge, dass etwas nicht stimmt, mit unserem Jakob. Da er im Vorfeld eine OP hatte, und den Harnausgang ersteinmal freigelegt bekam ( er wurde ohne Harnausgang auf der Straße gefunden), wussten wir nicht, dass Jakob nicht markiert. Als wir dann nach sechs Stunden weiterfahrt von Butzbach endlich zu Hause ankamen, überzeugte er uns auf dem Hof gleich vom Gegenteil. Er pinkelte mit Sicherheit einen ganzen Liter aus, der schwerst konzentriert nach Metronidazol roch, und hatte einen Strahl wie ein Hengst. Prima. Alles läuft…. im wahrsten Sinne des Wortes. Wir waren überglücklich. Nun, die Bilder und Videos der darauffolgen Tage sind ja in unserer Paten-und Spendengruppe bei Facebook hinterlegt.

Wenn ihr jetzt denkt, dass das das Ende ist, täuscht ihr Euch. Das war erst der Anfang.

Jakob zog ein

Das erste freilaufen im Garten war für den 20 Kilogramm leichten, dünnen großen und schlaksigen Schäferhund und für uns eine wahre Freude. Er versuchte im vollen Gallopp seine Extremitäten zu kontrollieren, wir hielten uns vor Lachen die Bäuche, weil er nichts auf die Reihe bekam. Rina fand ihn am ersten Tag toll, als Sie dann merkte, dass er bleiben sollte, fand sie ihn nur mehr einmal in der Woche toll. Ständig wurde sie belästigt von dem Jungspund. Er kaute auf ihr rum, und tatzt sie an, draussen rannte er sie permanent um und wir bewunderten Ihre Nervenstärke. Wenn sie genug hatte sagte sie ihm schon Bescheid. So hatten ( haben immer noch) wir also ein gehöriges Stück Arbeit vor uns.

Wir liebten Jakob ab dem ersten Moment. Er kotzt uns bei fast jeder Fahrt das Auto voll, egal ob er gefressen hat, oder nicht, egal, ob wir schnell oder langsam fahren, hauptsache er kotzt so unregelmäßig, dass wir keine Diagnose stellen können, woran es nun liegt, oder liegen könnte. Und auch manchmal  kotzt er dann, während wir in die Garage hineinfahren. Das ist dann besonders doof, dass er nicht noch eine Minute hätte warten können. Und ein halbes Jahr später kotzt er immer noch. Ich glaube mittlerweile, dass ihm halt einfach nur manchmal schlecht wird. Man fragt sich zwar warum ihm nicht immer schlecht wird, aber das ist am Ende auch egal.

Bis Jakob sich an unseren Tag/Nacht Rhythmus gewöhnt hatte, zerlegte er Hundedecken, schleppte Schuhe in sein Körbchen(die aber alle heile blieben). Das war aber nach einer guten Woche vorbei. Außer einem Kackhaufen in der ersten Nacht, war Jakob mit sofortiger Wirkung stubenrein. Jippie.

Dann überfiel mich das Gefühl der tiefen Dankbarkeit für diesen tollen Hund und ich wollte gerne etwas zurückgeben. Ich kaufte Hundefutter und daraus entstand die Idee Spenden zu sammeln, und drei Monate später fuhren wir mit 200 Kilo Futter und einer kleinen Geldspende los, um uns selbst ein Bild zu machen, von der Arbeit, den Menschen, den Hunden, den Zuständen etc.

Nach elf Stunden Fahrt erreichten wir Cegléd.  Was ein Ritt. Wir checkten ein, freuten uns über ein tolles Appartement mit Fußbodenheizung und am nächsten morgen nach dem Frühstück machten wir uns auf den Weg zum Tierheim. Ausgeschildert war nichts, aber von den unzähligen Hundevideos erinnerte ich mich an einen Wertstoffhof, der am Ende der Stadt von der Straße aus zu sehen war, und so fanden wir es schließlich doch.

Wir parkten stiegen aus und wurden von einem unfassbaren Lärmpegel begrüßt. Noch immer erschöpft von der gestrigen Fahrt kam dann Kata auf uns, wir umarmten uns, als würden wir uns schon ewig kennen, und ich musste erst mal losheulen. Wir liefen ein Runde durch die Zwingeranlage, ich schob jedem Hund einen Keks zwischen die Zähne, der Lärm war teilweise Ohrenbetäubend, vom Geruch ganz zu schweigen. Jeder machte auf sich aufmerksam, wollte nicht vergessen werden, dazu war ich eine Fremde und hatte noch zwei Fremde Männer im Schlepptau.

Wir fingen recht zügig mit der Arbeit an. Kata brachte uns die Neuzugänge, die wir fotografierten, filmten und auf Verträglichkeiten mit Rüden und Hündinnen testeten. Jakob entpuppte sich als perfekter Testhund. Er war zu jedem freundlich, egal ob Rüde oder Hündin, egal ob groß oder klein, und wenn er angeblafft wurde, wich er zurück und gab jedem eine neue Chance. Jakob wusste genau was er tat, wurde nie ungehalten oder böse….ha da geht das Herz auf, wir waren (sind immer noch) sooooo stolz auf ihn. UNSER HUND !!!!

Unsere Hündin hatte schon ab dem zweiten Tag keine Lust mehr auf so viel neue Hunde. Ihr war das alles viel zu stressig und anstrengend. Sie blieb lieber im Auto liegen und beäugte das Procedere aus sicherer Entfernung.

So arbeiteten wir uns sechs Tage durch das Tierheim und hatten doch nur einen Bruchteil der Hunde draußen gehabt. Wir haben uns zusätzlich zwei Angsthunde herausgepickt, die während der sechs Tage jeden Tag von meinem Mann Gerd und seinem besten Freund gearbeitet wurden. So musste man sie am ersten Tag noch tragen, weil sich vor Angst nicht laufen wollten, und am letzten Tag wollten sie kaum zurück in den Zwinger. Das macht schon Spaß, zu sehen wie die Hunde vertrauen aufbauen und beginnen Spaß zu haben. Man sieht, wie wenig Zeit man benötigt, aber man muss jeden Tag dran bleiben, und dafür ist eben keine Zeit. Denn dort in der Zwingeranlage sind 15 Minuten Zeit soviel Wert wie ein Barren Gold. Schließlich gibt es mehrere Hunde wie diese. Nicht nur zwei. Und außerdem, ihr könnt es euch nicht vorstellen. Da kann ich erzählen soviel wie ich will.

Während unserer Arbeit mit den Hunden, verliebten wir uns in den, in den und in den, dann noch in den und weißt du noch, der ganz hinten im Eckzwinger, dann war ja auch noch Sadie und hier vorne der im dritten Zwinger, der immer nur mit überkreuzten Beinen da lag und nie gebellt hat. Wenn wir gekonnt hätten, dann hätten wir jetzt: Sadie, Sergej, Laszlo, Lucky, Herki,Selena, Mark,Patrick wahrscheinlich auch Letti, Maggie wäre sicher auch mitgekommen. Jetzt würden noch Barney,Greg und Brody hinzukommen.

Wir entschlossen uns keinen mitzunehmen.

Als es im November dann so kalt wurde und ich mir die Hunde auf den kalten Böden vorstellte, entschlossen wir und ganz spontan, doch noch einen dritten Hund zu nehmen. Wir wiederholten also das, was wir schon kannten, mit nach Butzbach reisen und einen Hund abholen. Wir wussten ja auch, dass sie sich nicht gleich anfallen würden, sie kannten sich ja schon alle drei. Es war also alles nur halbsoaufregend, aber immer noch aufregend genug. Juhu, der wilde Jakob hat endlich einen Spielgefährten, dann ist unsere Hündin etwas entlastet. Pustekuchen, die ruhige Hündin hat einen ruhigen Hundefreund bekommen, jetzt nervt Jakob beide.

Wir haben noch viel Arbeit!